Nachts auf der Streuobstwiese

 

An einem Abend durften wir Stefan Kattari, Nachtfalterspezialist aus dem Chiemgau, bei seiner Arbeit über die Schulter schauen. Doch vorher haben wir mit ihm die Nachtfalterausstellung im Museum „Salz und Moor“ besucht.

 

Viele der dort ausgestellten Exemplare stammen aus seiner Schmetterlingssammlung. Im Gegensatz zu den oft bunten Tagfaltern, sind die Nachtfalter bestens getarnt. Sie sind kaum von der Baumrinde zu unterscheiden, oder imitieren beispielsweise einen kleinen Ast. Erst nach genauerem Hinschauen werden die Tiere sichtbar. Eine wichtige Voraussetzung, um den scharfen Augen der hungrigen Vögeln zu entgehen. Die Kinder waren fasziniert von der Vielfalt der „Nachtschwärmer“ und warteten voller Spannung auf den kommenden Abend, denn um halb neun hatten wir mit Stefan eine Verabredung auf der Streuobstwiese von Andi Stefanutti, Demeterbauer aus Übersee. Hier waren wir schon einmal im Mai, um die Blumen der Streuobstwiese kennen zu lernen. Es ist ein wahres Naturparadies.


Streuobstwiesen sind ein unglaublich vielfältiger Lebensraum. Hier tummeln sich bis zu 5000 Tier- und Pflanzenarten. Vögel, Siebenschläfer, Igel, Marder, Insekten und vieles mehr finden hier reichlich Nahrung, Schutz, Brut- und Schlafplätze. Mit dem Volksbegehren „Rettet die Bienen“ wurde einer breiten Öffentlichkeit bewusst, dass dieser Lebensraum nicht nur für die Natur, sondern auch für uns Menschen von großer Bedeutung ist. Beispielsweise können wir uns hier mit frischem ungespritztem Obst aus der Region klimafreundlich versorgen. Die Auswahl ist gigantisch. Während wir im Supermarkt nur zwischen 5 - 6 verschiedene Apfelsorten wählen können, sind es beim Streuobstanbau bis zu 2000 Apfelsorten, natürlich mit regionalen Schwerpunkten. Wenn ihr Inspiration braucht, was ihr mit euren Äpfeln von der Streuobstwiese machen könnt, haben wir hier ein leckeres Rezept zu Apfelküchle für euch.

 

Kaum zu glauben, dass es noch bis in die siebziger Jahre in Deutschland eine Rodungsprämie für Streuobstbäume gab. Grund dafür war, dass man die wenig effiziente Bewirtschaftung der Streuobstwiesen durch hochproduktive Monokulturen ersetzen wollte. Leider mit großem Erfolg: Dieser Aktion fielen ca. 80 % der alten Hochstammobstbäume zum Opfer, was zu einem großen Verlust der Artenvielfalt führte, wie man heute weiß.

 

Diese Vielfalt wollten wir mit unserer Kindergruppe erforschen und so haben wir in diesem Sommer die Streuobstwiesen schon mehrfach besucht und dort spannende Stunden erlebt. Wir haben Blumen bestimmt und ein Herbar angelegt, waren mit der Fledermausexpertin Nikola Bichler auf Fledermausjagd und haben Stefan Kattari auf der Suche nach Nachtfaltern unterstützt.

 

Denn, wenn die Dämmerung aufzieht und langsam Ruhe einkehrt, beginnt das verborgene Leben auf der Streuobstwiese. Fledermäuse sausen durch den Nachthimmel auf der Jagd nach nachtaktiven Insekten, Nachtfalter saugen gierig Nektar an nachtblühenden Blumen, Igel durchstöbern Totholzhaufen und das hohe Gras nach Würmern und sonstigem kleinem Getier. Dieses nächtliche Treiben lockt natürlich auch die Naturforscher auf die Streuobstwiese.

 

 

Um die Vielfalt der Nachtfalter in einem Lebensraum bestimmen zu können, braucht man ein Hilfsmittel, die Lichtfalle. Ihr habt sicher auch schon beobachtet, dass Licht die Nachtfalter magisch anzieht. Dieses Verhalten machen sich die Experten zu Nutze. Gemeinsam haben wir eine Lichtfalle aufgestellt und mit zunehmender Dunkelheit versammelten sich immer mehr Falter an dem beleuchteten Schirm. Und, je später der Abend, umso schöner die Gäste an unserer Konstruktion. So fand sich neben verschiedenen Eulen und Spinnern der wunderschöne Mittlere Weinschwärmer ein. Stefan kannte die meisten Falter und nur wenige Exemplare musste er fangen und zu Hause nachbestimmen. 


Nachtfalter aus der Natur entnehmen darf natürlich nicht jeder. Dafür bedarf es der Genehmigung durch die Obere Naturschutzbehörde.

 

Da fragt sich manch einer - wozu der Aufwand? Um Veränderungen in der Natur feststellen zu können brauchen wir viele Daten über verschiedenste Tier- und Pflanzenarten, Temperatur, Niederschläge, Sonneneinstrahlung und einiges mehr. Ein gutes Beispiel hierfür ist die Krefelder Studie, die über einen Zeitraum von 27 Jahren einen starken Rückgang der Biomasse fliegender Insekten in Naturschutzgebieten in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Brandenburg zeigt. Insofern wichtig zu wissen, da Insekten für die Bestäubung unersetzlich sind!

 

Stefan war an diesem Abend mit seiner Ausbeute zufrieden. Er konnte sogar eine neue Art, die Janthe Bandeule, im Untersuchungsgebiet nachweisen.

 

Mittlerweile war es schon fast Mitternacht und die Müdigkeit griff um sich. Langsam trudelten auch die Eltern ein und so ging eine überaus spannender Abend zu Ende.