Selbstversorgung ohne eigenen Garten

Zur Selbstversorgung, z.B. mit Obst und Gemüse, ist nicht unbedingt ein eigener Garten nötig!

Folgende Möglichkeiten gibt es, sich ohne eigenes Gartengrundstück selbst mit Obst und Gemüse zu versorgen und sich durch Einmachen und Konservieren für das ganze Jahr einzudecken:

...für Eigenbrötler und Familienmenschen

Der „Klassiker“ ist die Pacht einer Parzelle in einer Kleingarten-Kolonie oder einer Schrebergarten- Vereins. Allerdings ist hier in den letzten Jahren - zuletzt auch durch die Corona-Pandemie - die Nachfrage wieder stark gestiegen und die Ablösesummen (z.B. für ein bestehendes Gartenhaus) sind sehr hoch. 

...für Kontaktfreudige, Anfänger, interkulturelle Interessierte


Leichter ist es, sich in einem Gemeinschaftsgarten aktiv als Gärtner*in zu beteiligen: im Zuge des urban gardening-Trends gibt es in vielen Städten Gemeinschaftsgärten, die auf Stadtbrachen, ungenutzten Grünstreifen, an Treppenhäusern, Flachdächern, Fassaden etc. Beete anlegen und zum Eigengebrauch bewirtschaften. Prominentestes Beispiel hierzu ist der Prinzessinnengarten in Berlin/Kreuzberg und Neukölln. 

 

Gemeinschaftsgärten haben aber nicht nur einen Fokus auf gemeinsam Gärtnern und sich auszutauschen, sondern auch einen interkulturellen, generationsübergreifenden, integrativen und bildungsbezogenen Charakter- sind also nichts für Eigenbrötler, die für sich garteln und im Familienkreis grillen wollen, sondern für interessierte Gärtner, die Lust auf Austausch, Gemeinschaft, Kooperation haben. Meistens haben sie eine sehr gute Infra- und Organisationsstruktur sowie Ausstattung mit Geräten, oft aber eine höhere Fluktuation der aktiv Beteiligten. Ein gute Übersicht über urbane Gemeinschaftsgärten mit unterschiedlichen Trägerstrukturen und Ausrichtungen (Beteiligung von Geflüchteten, Migranten, Senioren, Jugendliche etc.) findest du unter „anstiftung“, einem Dachverband für interkulturelle und urbane Gärten und bottom-up-Initiativen, der Angebote zur Vernetzung, Fortbildung, Beratung von Akteuren, aber auch zur Forschung über Gemeinschaftsgärten, z.B. für die Städteplanung, Stadtentwicklung und Integrationsarbeit bietet. 


...für spontane Gärtner und „Ernter“

In vielen Städten gibt es Initiativen zur „Essbaren Stadt“ nach dem Vorreitermodell der Stadt Andernach, die 2010 im Stadtgraben nach dem Motto „Pflücken erlaubt statt betreten verboten“ Gemüsebeete statt Blumenrabatten für die Bürger anlegte, was weniger Kosten, mehr Biodiversität und mehr Bürgerbeteiligung bewirkte. Die „Essbare Stadt, die es z.B. in Kassel, Nürnberg, München, Köln gibt, arbeitet nach dem Prinzip der Permakultur und hat gerade durch den aktuellen Trend, insektenfreundlicher Gärten und kommunale Anlagen zu bewirtschaften, neuen Auftrieb bekommen. Eine verlässliche Selbstversorgung ist aber dadurch nicht möglich, da Ernteerfolg so wie die aktiven Gärtner schwanken - die meisten Menschen kommen ja lieber zum Ernten als zum Unkraut jäten. 


...für Bequeme mit wenig Zeit und für Anfänger im Gartenbau

Die „Solidarische Landwirtschaft“ oder Solawi: Hier schließen sich Verbraucher*innen d.h. Privathaushalte mit Erzeugern zu einer Wirtschaftsgemeinschaft zusammen. Mehrere private Haushalte tragen die Kosten eines landwirtschaftlichen Betriebes oder Gemüsegärtnerei-Betriebes, der speziell für diese Verbraucher*innen Gemüse etc. anbaut und den Ernteertrag auf diese aufteilt. Herstellung, Anbauweise etc. sind voll transparent, ehrlich und nachvollziehbar. 

Die Formen der Solawi können dabei sehr unterschiedlich sein: Vom Landwirt, der euch mit Maschinen (Pflügen, eggen, kompostieren) und betrieblicher Infrastruktur beim Gemüseanbau auf einer Ackerparzelle unterstützt, bis hin zum „Komfortpaket“ mit wöchentlicher Gemüsekiste vor der Haustüre.

...für Checker mit Ortskenntnis oder Ortsansässige

Obst– und Gartenbauvereine, Landschaftspflegeverbände, Naturschutzverbände wie Bund Naturschutz und Landesbund für Vogelschutz in Bayern sind auch wichtige Anlaufstellen zum Thema Streuobst und Versorgung mit lokalem Obst. Frag nach Möglichkeiten zur fachlichen Beratung. Unterstützung und Mitwirkung (Edelreiser, Bezugsquellen für alte Obstsorten, Fördermittel, Obstbaumschnitt, lokale Keltereien, Streuobstwiesen und Tauschbörsen) nach Streuobstinitiativen (z.B. wie Apfelgrips), Streuobstallianz Bayreuth „BayernNetzNatur“  oder Mitwirkungsmöglichkeiten (z.B. beim Obstbaumschnitt, Ernten, Apfelsaft pressen). 

....für eine Nachbarschafts-Gemeinschaft

Mit anderen Obstbaumbesitzer*innen, ob im Verein oder in der Nachbarschaft, könnt ihr Obst tauschen oder für euch ernten, wenn z.B. die Erntemenge die Verwertungsmöglichkeiten für einen Einzelnen übersteigt. Über diese Kontakte mit Initiativen, Bekannten oder Nachbarn könnt ihr euch lokal mit Obst oder Gemüse versorgen, das ihr nicht im Garten habt. 

Vielleicht ist eure betagte Nachbarin mit großem Garten dankbar für eure Mithilfe im Garten und ihr dürft dafür ein eigenes Hochbeet für Gemüse anlegen oder Obst miternten. Fragt nach etwas Fallobst und kommt mit einem leckeren Apfelkuchen zum Verhandlungsgespräch vorbei. 

Übrigens: Fallobst am Weg aufsammeln oder Obst von einem Obstbaum am Feldweg pflücken ist Diebstahl und nach § 242 StGB strafbar, wird meist mit einer Geldstrafe geahndet. Der Obstbaum und damit die Früchte gehören dem Grundstücksbesitzer. Frag bei dem Besitzer nach, bevor ihr eine Strafanzeige riskiert oder lasst die Finger davon, wenn euch die Besitzverhältnisse unbekannt sind.  

Unter mundraub.org findest ihr eine Karte eingetragener Obstflächen, wo das Pflücken von Obst erlaubt ist, allerdings auf eigenes Haftungsrisiko, falls der Tippgeber sich nicht richtig informiert hat und der Obstbaum doch in Privatbesitz ist. 

Das Ernten von kleinen Mengen Obst wilder Bäume sowie wilde Beeren, Pilze und Kräuter ist laut Bundesnaturschutzgesetz § 39 III für den privaten Verbrauch erlaubt

...für professionelle / gewerbliche Anbieter wie Direktvermarkter

Das Prinzip von Market gardening stammt aus Frankreich aus dem 19 Jahrhundert. Seit der Buchveröffentlichung „The Market Gardener“ des Kanadier Jean-Martin Fortier im Jahr 2012 hat dieses Prinzip immer mehr Anhänger gefunden.

 

„Market gardening“ bedeutet “viel Gemüse auf wenig Raum“. Es ist ein effektiver, meist gewerblicher Gemüseanbau auf kleiner Fläche (1-2 ha Betriebsfläche) ohne große Maschinen, ohne Bodenbearbeitung wie Pflügen, ohne große Investitionen in Maschinenpark. Es wird  meist von Biobetrieben mit 2-4 Angestellten, Solawis oder Individualisten in abgelegenen Regionen praktiziert, ist aber grundsätzlich sehr gut für Menschen, die autark leben und wirtschaften wollen, geeignet. Es wird nach dem Prinzip der Permakultur gearbeitet. Die Beete sind 0,7m x 10 m groß. Die Bodenfruchtbarkeit wird durch Kompost einer dicken Mulchschicht und Fruchtwechsel, z.T. mit Bokashi oder Pflanzenkohle (Terra preta) erhalten. Die Pflanzen werden sehr eng gepflanzt und wurzeln tiefer. Schädlinge werden durch Insektennetze statt Gift abgehalten. Die Arbeitsgeräte (Säen, Topfen, Pflanzen, Ernten) sind äußerst effizient und pfiffig, meist reicht ein Akkuschrauber, um z.B. eine Salaterntemaschine anzutreiben. So wird die meiste Zeit mit Ernten statt mit Jäten, Bodenbearbeitung oder Schädlingsbekämpfung aufgewendet. Viele dieser Kleinbetriebe vermarkten ihr Gemüse direkt auf Wochenmärkten, beliefern Gastronomen und Privathaushalte. 

 

Market gardening oder auch Mikrofarming verbindet für die Landwirtschaft Wirtschaftlichkeit mit Nachhaltigkeit (Artenvielfalt, Bodenfruchtbarkeit, geringer Flächenverbrauch) und umweltfreundliche Bewirtschaftung.  

Market gardening ist ein Zukunftsmodell für unsere Landwirtschaft - weg von Wachstumszwang, steigender Pachtpreise, schwindender landwirtschaftlicher Flächen durch Flächenverbrauch, Bodenzerstörung durch Monokulturen, Erosion und intensiven Pestizid- und Düngemitteleinsatz.