Nicht nur im globalen Süden sind Menschen von Klimaungerechtigkeit betroffen: Werden auch Menschen in Deutschland durch Auswirkungen der Klima - und Energiepolitik ungerecht behandelt?
Dazu müssen wir den Braunkohleabbau in unserem Land betrachten. In Deutschland wird heute in drei großen Revieren Braunkohle gefördert: in der Lausitz, dem Rheinischen Revier
und im Mitteldeutschen Revier um Leipzig. Zu dem Effekt, dass Braunkohle als einen der schmutzigsten Energieformen auf das Klima hat, kommen dadurch weitreichende
Gerechtigkeitsaspekte hinzu. Für den Abbau der oberflächennahen Braunkohle müssen nämlich auch heute noch viele alte Dörfer abgerissen und umgesiedelt werden, um die darunter liegende Kohle
fördern zu können.
Zwar werden die Betroffenen mit Baugrundstücken und Ersatzzahlungen entschädigt, doch der Verlust ihrer Heimat, ihrer Häuser, der über jahrzehntelang gewachsenen Nachbarschaften sowie
historischen und kulturellen Städten wie Kirchen kann so nicht ausgeglichen werden.
Das Bündnis „Alle Dörfer bleiben“ ruft daher immer wieder zum Protest gegen die Klimapolitik der Bundesregierung und den großen Energieversorgern auf. Außerdem will sie den Bewohnerinnen und
Bewohnern der Dörfer eine Stimme geben. Wir möchten euch dazu aufrufen, ihnen zuzuhören. Stellt euch dabei die Frage: ist es gerecht, dass wir hier in Bayern sorglos Strom beziehen, während an
anderer Stelle in Deutschland Menschen ihre Heimat verlieren? Versetzt euch in ihre Lage und stellt euch vor, euer Dorf würde weggebaggert.
Der Protest zeigt auch Wirkung: im sächsischen Pödelwitz können die Einwohner*innen bleiben. Gemeinsam mit einem breiten Bündnis aus Umweltverbänden und Klimabewegung konnte das
Dorf gerettet werden.
Damit der Braunkohleabbau endlich Geschichte wird, braucht es eure Unterstützung. Doch was könnt ihr in Bayern tun? Der wichtigste Schritt im Kampf für Klimagerechtigkeit ist es, selbst
keinen Braunkohlestrom mehr zu beziehen. Wie ihr euren Stromanbieter wechseln könnt und welche Tarife wirklich grün sind, erfahrt ihr in unserem morgigen Beitrag. Außerdem könnt ihr die
Klimabewegung durch eure Anwesenheit auf Demos oder finanzielle Hilfe unterstützen. Wenn euch das nicht möglich ist, hilft auch jedes Like auf Facebook und Instagram, die Bewegung noch
größer zu machen. Wichtig ist, nicht untätig zu bleiben!
Ziviler Ungehorsam war als Protestform schon immer Teil der Klimagerechtigkeitsbewegung. Doch wer sind eigentlich die Menschen, die sich an Bagger ketten oder Häuser besetzen? Was treibt sie
an und warum wählen sie diese Form des Protests? Um das herauszufinden haben wir ein kurzes Interview mit einer*m Aktivist*in geführt, die*der bei den Protesten in Lützerath dabei
war. Die abgebildeten Fotos sind Symbolbilder und zeigen nicht die interviewte Person. Der*Die Aktivist*in ist minderjährig und will aus Sicherheitsgründen anonym bleiben,
der Name ist jedoch der Redaktion bekannt.
Was passiert gerade in Lützerath?
Lützerath ist ein zum Teil noch bewohntes Dorf in der Nähe des Tagebaus Garzweiler. Durch den Energiekonzern RWE, der dort weiterhin Kohle abbauen will, wurde die
Dorfgemeinschaft zerstört und Bewohner*innen teilweise enteignet. RWE beginnt nun mit dem Abriss von Häusern, Landstraßen und dem Fällen von Bäumen. Deshalb finden dort aktuell
verschiedene Protestaktionen statt, die von friedlichen Kundgebungen über Sitzblockaden bis hin zum Bauen von Barrikaden und der Besetzung von Häusern, Bäumen oder Baggern reichen. Das Ziel ist
es den Abriss zu erschweren.
Wie läuft so eine Besetzung ab?
Die Häuser in Lützerath stehen aktuell kurz vor dem Abriss und wurden deshalb von RWE mit Bauzäunen abgesperrt. Das Ziel unserer Gruppe war es, Häuserdächer zu
besetzen und so den Abriss zu verzögern. Wir haben in der Nähe gecampt, sind sehr früh aufgestanden und haben dann versucht die Bauzäune zu überwinden. Einer Freundin und mir
gelang dies und wir konnten auch eines der Häuser erfolgreich besetzen. Daran wurden wir unter anderem von der RWE-Security gehindert. Nach einiger Zeit wurde uns von RWE
zugesichert, dass die Arbeiten an diesem Tag eingestellt würden, wenn wir freiwillig das Dach verlassen würden. Das ist dann auch passiert und wir hatten somit das Ziel unserer Aktion
erreicht.
Warum wählst du diese Form des politischen Protests?
Ich habe mich sehr lange bei FridaysForFuture engagiert und auch unter anderem Großdemonstrationen mitorganisiert. Doch selbst die 1.6 Millionen Menschen, die am
20.09.2019 bundesweit friedlich für gerechtere Klimapolitik auf die Straße gingen, wurden im politischen Entscheidungsprozess zugunsten der Kohlelobby ignoriert. Da die
Klimakrise jetzt schon weltweit Extremwetterkatastrophen und damit den Tod und die Vertreibung von Millionen Menschen verursacht, sehe ich keine Option im Verzicht auf Klimaschutz.
Deshalb habe ich mich entschieden, mich mit meinem politischen Protest der Zerstörung unserer Umwelt direkt entgegenzustellen. Wie zum Beispiel in Lützerath.
Zeigt euer Protest Wirkung?
Das ist immer schwierig festzustellen. So können wir zum einen mit unseren Mitteln den Ausbau des Tagebaus und den Abriss Lützeraths nicht stoppen, sondern nur ein Stück
weit hinauszögern. Zum anderen können wir mit unseren Aktionen aber auch viel Aufmerksamkeit erreichen, den Bewohner*innen der umliegenden Dörfer Mut machen und Erfahrungen
sammeln für zukünftige Proteste. Ohne unsere Besetzungen wäre der Abriss Lützeraths schon längst vollzogen.
Was ist dein persönlicher Lösungsansatz zur Klimakrise?
Ich persönlich bin der Überzeugung, dass die Klimakrise ein Symptom eines viel tiefer sitzenden gesellschaftlichen Problems ist. Denn durch die Art und Weise wie wir wirtschaften leben wir
gezwungenermaßen in einer Gesellschaft, in der Profitinteressen und die Erhaltung des Status Quo über die Erhaltung von Menschenleben gestellt wird. In so einem System kann keine
nachhaltige Lösung für diese existenzielle ökologische Krise gefunden werden. Ich bezeichne mich deshalb als Antikapitalist*in. Mir geht es darum eine alternative und solidarische Art
zu leben zu finden – außerhalb unseres kapitalistischen Systems.
Welche Konsequenzen spürst du wegen deiner Teilnahme an solchen Protestaktionen?
Ich habe bislang Glück gehabt und wurde noch nicht zu einer Geldstrafe oder ähnlichem verurteilt. Freund*innen von mir aber schon. Wir alle haben schon Kontakt mit der Polizei
gehabt und auch schon teilweise längere Zeit im Polizeigewahrsam verbracht. Dieses Risiko gehe ich bewusst ein.
Aber es gibt auch viele Aktivist*innen, die das nicht wollen und daher hinter den Kulissen mithelfen. Von Kochen und putzen, bis hin zu mentaler Unterstützung und rechtlicher Hilfe, in
einem Protestcamp gibt es viele verschiedene Möglichkeiten, sich legal zu engagieren.
Wie hoch ist das Verletzungsrisiko bei solchen Aktionen?
Wir Aktivist*innen passen gut aufeinander auf und versuchen körperlich sehr belastende Situationen wie Auseinandersetzungen mit Polizei oder RWE Security zu vermeiden. Das
Verletzungsrisiko ist trotzdem sehr hoch, weshalb oft Demosanitäter*innen anwesend sind und eigentlich alle Aktivist*innen Erste-Hilfe-Sets dabei haben.
Habt ihr noch Fragen an die Aktivistin? Dann schreibt uns an naturschwaermer@lbv.de
Wir leiten eure Fragen weiter und bald könnt ihr hier Ihre Antworten lesen.