Unser (un)nachhaltiger Familienalltag

Möglichst wenig Plastik verwenden, sich saisonal, regional und fleischarm ernähren, das Auto öfter stehen lassen und auf Bus, Bahn oder Fahrrad umsteigen, bienenfreundliche Pflanzen anbauen, und und und: Das Leben nachhaltig zu gestalten, ist vielen von uns ein wichtiges Anliegen. Doch um es auf den Punkt zu bringen: Viele Familien mit Kindern stehen in punkto Nachhaltigkeit ganz schön unter Druck. Und es ist eben nicht, weil sie keine Lust auf das Thema hätten, sondern vielmehr, weil es oft nicht hinhaut, wie man es gerne hätte.

 

 

Der „Struggle“, den oft schon ohnehin turbulenten Familienalltag zu bewältigen in Verbindung mit dem Versuch, den Lebensstil möglichst nachhaltig zu gestalten, kann ganz schön fordernd sein. Denn wenn man es realistisch betrachtet, fehlt es den meisten Eltern vor allem an Zeit und zusätzlicher Energie! 

 

Daher möchten wir euch mit dieser Reihe, die sich über mehrere Beiträge in den nächsten Monaten verteilen wird, den Druck nehmen, dass alles "perfekt nachhaltig" ablaufen muss. Wir berichten euch von Erfahrungen anderer Eltern und präsentieren euch viele niederschwellige Ideen, mit denen ihr kleine Beiträge zur Vergrößerung eures climate handprint machen könnt – ohne viel Zeit und Energie, denn die sind, wie wir ja schon festgestellt haben, bei Eltern junger Familien oft Mangelware. 

Bei der Sammlung der Zitate für diese Reihe haben wir an vielen Stellen sehr schmunzeln müssen. Denn wir erkennen uns in so vielen Erfahrungsberichten wieder. Zum einen zeigt das doch: Wir sitzen alle in einem Boot – selbstverständlich in einem motorfreien, aus nachhaltigem Holz gebauten Segelboot! Und zum anderen nimmt es uns vielleicht auch ein wenig den Druck, alles perfekt gestalten zu wollen. Denn das kostet extrem viel Energie. Wir hoffen, dass es euch mit unseren Beiträgen aus dieser Serie ähnlich geht und wir ein bisschen dazu beitragen können, dass ihr nicht mehr so viel „struggeln“ müsst.

Familienkost (irgendwie) nachhaltig gestalten

Wir starten mit einem Thema, das im Bereich Nachhaltigkeit einen riesigen Stellenwert einnimmt: die Ernährung. Unsere Lebensmittelproduktion verursacht ein Drittel der globalen Treibhausgasemissionen und hat damit einen enormen Einfluss auf den Klimawandel. Gleichzeitig ist sie damit aber auch eine bedeutende Stellschraube, denn wir können durch unser eigenes Essverhalten unseren persönlichen ökologischen Fußabdruck stark beeinflussen.

Persönlicher Bezug zu regionalen Lebensmitteln

Doch auch das Thema Ernährung hat im Familienalltag eine andere Bedeutung, als wenn man die Entscheidungen nur für sich selbst treffen müsste. Gut zu beeinflussen ist häufig noch die Entscheidung, wo Lebensmittel eingekauft werden. Zum Glück gibt es inzwischen nicht nur in Biomärkten, Bauernläden oder auf Wochenmärkten die Möglichkeit, regionale und/oder ökologisch angebaute Produkte zu kaufen, sondern oft auch im Supermarkt. Wenn man Kinder am Familieneinkauf teilhaben lässt, kann man schon im Kindergartenalter viel erklären und entsprechende Begeisterung hervorrufen. Fahren wir zum Beispiel zum Eier-Kauf auf den Bauernhof, lassen die Kinder den Eier-Automaten selbst bedienen und erkunden mit ihnen, wo die Hühner leben, von denen die Eier stammen, können wir uns fast sicher ein, dass sie beim nächsten Einkauf auf die Eier vom Bauernhof bestehen werden, anstatt einfach nur einen anonymen Eierkarton aus dem Supermarkt-Regal zu ziehen. Von einer netten Geschichte, was den persönlichen Bezug zu Lebensmitteln angeht, kann auch Sophie – Mutter von Leonie (5 Jahre) – berichten: 


Doch manchmal bringt uns auch das schönste Drumherum nichts und die Kinder haben einfach ihren eigenen Kopf, wenn es um ihre Ernährung geht. Von Anekdoten wie der folgenden können viele sicherlich ein Lied singen. So berichtet Sarah – Mutter von zwei Söhnen (5 und 8 Jahre):


Hier heißt es dann oft: Kompromisse eingehen, Lösungen, die für alle halbwegs tragbar sind, finden. So werden dann vielleicht öfter mal die Himbeeren mitgenommen, dafür akzeptieren die Kinder es völlig, wenn der geforderte „Joghurt mit der Ecke“, den es bei den Freunden immer gibt, eben durch Naturjoghurt und selbstgemachter Marmelade und Bio-Schokostreuseln ersetzt wird. 

Ess-Gewohnheiten in der Familie

Was Kinder essen, wird maßgeblich von den Eltern geprägt. Dabei spielt es nicht nur eine Rolle, woher sie die Lebensmittel beziehen, sondern natürlich auch, was sie selbst essen und wie sie über Lebensmittel sprechen. Silvia zum Beispiel berichtet: „Ich vermute, dass beim Thema Ernährung auch viel die Gewohnheit eine Rolle spielt. Unser Sohn (4) hat in den ersten Jahren z. B. nur Naturjoghurt mit frischen Früchten bekommen. Den konventionellen Fruchtjoghurt aus dem Plastikbecher hat er dann bei der Oma verschmäht, weil er ihm zu süß war. Oder Limo zum Beispiel gibt es meist nur, wenn wir essen gehen oder an besonderen Tagen wie Silvester oder Geburtstag. Das lustige ist, dass unser Sohn dann die Limo meist mit Wasser verdünnt, weil sie ihm zu süß ist.“ 

Wenn Eltern den Kindern ein gesundes Essverhalten vorleben und von Anfang an etablieren, steigt zumindest die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder es übernehmen und sich auch später noch gesund ernähren. Doch führen solche Aussagen bei Eltern auch manchmal zu Frust, wenn sie selbst sehr auf eine ausgewogene Ernährung achten, die Sprösslinge aber einfach „Gemüsemuffel“ sind und bleiben. Manchmal kann eine Kehrtwende auch von außen kommen, wie zum Beispiel Tom – Vater einer Emilia (4 Jahre)  zu berichten weiß:


Reste, Reste, nichts als Reste…

Eine große Bedeutung hat sicher in vielen Familien auch das Thema übrig gebliebenes Essen bzw. Essensreste. Viele Kinder sind in ihrem Essverhalten absolut unvorhersehbar: Manchmal werden zwei Erwachsenenportionen Nudeln verspeist, manchmal nagen sie an 4 Fusilli rum und das war es. Ein Gericht, das am einen Tag verschlungen wurde und sich „unbedingt“ nochmal gewünscht wurde, wird eine Woche später verschmäht. Reste einfach in die Tonne kippen, ist für nachhaltig orientierte Menschen selten eine Option. Manchmal gibt es Haustiere, die sich über den ein oder anderen Rest freuen, manchmal lassen sich Reste einfrieren, in Gerichte der Folgetage einarbeiten oder das Mittagessen von Elternteilen in Homeoffice ist (unfreiwillig) gesichert. Oder wie wäre es, wenn ihr eine Gruppe auf Signal, WhatsApp etc. mit eurem sozialen Umfeld gründet, über die ihr übriggebliebenes Essen anbieten und austauschen könnt? Ein Austausch kann natürlich auch über Plattformen wie nebenan.de oder Foodsharing-Plattformen stattfinden.

Hurra, es wächst...

Der Anbau von eigenem Obst und Gemüse ist für viele Kinder und ihre Eltern auch eine schöne Erfahrung. Im Gemüsegarten können Kinder schnell lernen, dass das Essen nicht in Plastiktüten im Supermarkt wächst. Und wenn auch vielleicht nicht jede Gemüsesorte von den Kindern gegessen wird, so wird vielleicht motivierter probiert und zumindest kann schnell jede Gemüsesorte benannt werden. Oft werden die Pflanzen stolz und liebevoll versorgt, die man von klein an auf der Fensterbank begleitet hat. So entsteht auf einfache Weise eine Achtung vor der Natur und dem Leben.

Doch nicht jede Familie hat die Möglichkeit oder Muße, Gemüse selbst anzubauen. Wir haben daher heute einen ganz simplen, wenig zeit- und energieaufwändigen Tipp für euch, wie ihr dennoch mit euren Kindern eigenes Gemüse ernten könnt. Habt ihr schonmal von Regrowing gehört? Wir erklären euch, was genau dahintersteckt und wie einfach es ist, aus Resten von einigen Gemüsesorten neue Lebensmittel zu ziehen. Probiert es aus und berichtet uns gerne von euren Erfahrungen.

Regrowing: Pflanzen aus Resten ziehen
Regrowing: Pflanzen aus Resten ziehen