1. Dezember

Süßer Schokonikolaus mit bitterem Beigeschmack

Spätestens zum Nikolaus am Sonntag steht er wieder bei vielen zuhause, neben Walnüssen und Mandarinen im Schuh oder Stiefel: Der Schoko-Nikolaus. Im Jahr 2019 produzierte die deutsche Süßwarenindustrie rund 151 Millionen Schokoladen-Weihnachtsmänner und -Nikoläuse. Eine erstaunliche Menge für deren Herstellung es natürlich auch mehre Tonnen an Kakao bedarf. Woher kommt der Kakao überhaupt und warum hat unser süßer Schokonikolaus einen bitteren Beigeschmack?

 

Woher kommt die Kakaobohne?

Der Kakaobaum mag es warm und ist in Ländern nördlich und südlich nahe des Äquators heimisch: In den tropischen Gebieten von Mittel- und Südamerika, an der Elfenbeinküste und anderen Ländern Westafrikas und in Südostasien, z. B. in Indonesien, wo er nie Temperaturen unter 18 Grad, meist sogar um 30 Grad Celsius ausgesetzt ist, fühlt er sich am wohlsten. Auch eine hohe Luftfeuchtigkeit und Niederschlagsmengen sagen der Pflanze zu.

 

Kakaogebiete = Armutsländer?

So einfach ist die Gleichung nicht zu setzen. Tatsache ist jedoch, dass gerade in den tropischen Ländern, in denen der Kakao besonders gut wächst, die Mehrheit der Bevölkerung im landwirtschaftlichen Sektor tätig ist und an europäischen Maßstäben gemessen oft in Armut lebt. Die ansässigen Bauern erzeugen landwirtschaftliche Produkte, die sie an die „reichen Länder“ nördlich des Äquators verkaufen können, z.B. Kaffee, Bananen oder auch Kakao. Solche Produkte nennt man "cash-crops". Die Nachfrage nach solchen „cash-crops“ ist hoch. Vor allem Deutschland ist anscheinend ein Land der Schokoladenliebhaber: Im Jahr 2018 verzeichnete die BRD einen Netto-Import von fast 460.000 Tonnen Kakao zu einem Wert von rund 973 Millionen Euro. Deutschland ist damit einer der größten Importeure von Rohkakao weltweit. Gleichzeitig ist Deutschland auch einer der größten Exporteure von Schokoladenprodukten weltweit.

 

Bitterer Kakao

Etwa 58 Prozent des importierten Kakaos wurden allein von der westafrikanischen Elfenbeinküste bezogen. Hier und im Staat Ghana arbeiten schätzungsweise 2,2 Millionen Kinder auf Kakaoplantagen. Illegal, unterbezahlt und teilweise unter menschenunwürdigen und gefährlichen Bedingungen. Dass Kindersklaven unseren Kakao ernten, ist schon länger bekannt und deshalb wollte man Anfang der 2000er Jahre der Ausbeutung entgegenwirken. Ohne Erfolg wie sich jetzt in der neuesten Untersuchung der Universität Chicago zu dieser Misere zeigt: Im Entwurf der jüngsten, noch unveröffentlichten Studie aus diesem Jahr heißt es, 2,26 Millionen Kinder würden derzeit auf den Plantagen in Ghana und der Elfenbeinküste arbeiten. Fast zwei Millionen davon demnach unter besonderen Gefahren. Das ist ein Anstieg von 30 auf 41 Prozent der Kinder innerhalb von zehn Jahren (bis 2019). Ziel war es vor fast 20 Jahren 70 Prozent weniger Kinderarbeit bis 2015 zu erreichen.

 

Ursachen

Kinder werden oft niedrig oder gar nicht für ihre Arbeit auf den Plantagen bezahlt. Bauern sind auf den Einsatz von Kindern angewiesen, da sie sich keine vollbezahlten Arbeitskräfte leisten können. Dies hängt mit dem extremen Preisverfall von Kakao zusammen, der seit Jahren zu beobachten ist. Ein Bauer in der Region müsste heute mindestens das Doppelte verdienen, um seine Existenz zu sichern. Es besteht ein nachweisbarer, direkter Zusammenhang zwischen Preis und Kinderarbeit Kakao-Sektor.

 

Preiskampf der Abnehmer

Für die 30 Gramm Kakao, die man in der Herstellung für eine Standard-Schokolade braucht, zahle man etwa sieben Cent. Der Preis für die Tafel sagt am Ende nichts darüber aus, ob Kinderarbeit stattfand. Der Wert steigert sich nämlich über die Weiterverarbeitung. Das heißt aber auch: Ein paar Cent mehr könnte die Existenz der Bauern sichern - ohne dass wir Verbraucher es richtig spüren würden.

 

Die Rolle von Zertifizierungen und Fair Trade

"Es gibt Anzeichen, dass die Lage dort, wo die Industrie mit ihren Programmen und Zertifizierungen unterwegs ist, besser ist als anderswo," meint Torben Erbrath vom Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie.

Wo Familien mit Rat, Tat und möglichst auch Geld geholfen wird, gehe die Zahl der Kinderarbeiter zurück. Allerdings, sagen Kritiker, habe die Industrie verglichen mit ihren Milliarden-Umsätzen bislang nur bescheidene Summen gezahlt, um die Lage für die Bauern zu stabilisieren.

 

Eure Rolle

Umso wichtiger ist es also, als Verbraucher die Hersteller zu unterstützen, die sich gegen Kinderarbeit und für eine faire Bezahlung aller Beteiligter entlang der Wertschöpfungskette einsetzen.

 

Wir möchten euch ermuntern dieses Jahr nach einem fairen-Schoko-Nikolaus Ausschau zu halten. Woran man diesen erkennt? Im Folgenden findet ihr die wichtigsten Fairtrade-Siegel im Zusammenhang mit Kakaoernte und Produktion.

Fairtrade Siegel

Fairtrade: Namhaft und erfolgreich

Das Fairtrade-Siegel steht für bessere soziale Bedingungen, verbietet ausbeuterische Kinderarbeit und den Einsatz einiger Chemikalien und unterstützt eine nachhaltige Produktion.

Anders als UTZ sichert das Fairtrade-Siegel Mindestpreise und zahlt Prämien zur Förderung von Gemeinschaftsprojekten. Die Fairtrade-Sozialstandards gelten gemeinhin als deutlich strenger als die von UTZ.

Für Mischprodukte (also auch Fairtrade-Schokolade) mit dem Fairtrade-Siegel gilt: Alle Zutaten, die es Fairtrade-zertifiziert gibt, müssen auch vollständig nach Fairtrade-Standards gehandelt worden sein (Bsp. Schokolade: Kakao, Zucker, Vanille). Der Fairtrade-Gesamtanteil am Endprodukt muss mindestens 20 Prozent betragen.

 

Das wichtigste Siegel für Fairtrade-Schokolade, auch weil es weit verbreitet und daher für jeden Konsumenten zu haben ist.


GEPA: Streng und ohne Mengenausgleich

Das Handelshaus GEPA setzt strenge Sozialstandards, verbietet Kinderarbeit, arbeitet direkt und langfristig mit verschiedenen, demokratisch organisierten Kleinbauerngenossenschaften zusammen und fördert diese.

Ganz allgemein versucht GEPA über andere faire Handels-Richtlinien hinaus zu gehen. 70 Prozent der Mischprodukte – und damit auch der Schokolade – enthalten über 75 Prozent fair gehandelte Zutaten, GEPA strebt hier 100 Prozent an. 75 Prozent stammen aus Bio-Anbau.

Zugleich versucht GEPA, auch in westlichen Ländern produzierte Bestandteile wie Milch nach fairen Kriterien zu erwerben. Ein Mengenausgleich (siehe unten) findet anders als bei den anderen Zertifizierungs-Systemen nicht statt, weswegen Fairtrade-Schokolade mit GEPA-Siegel vielen als die beste Wahl gilt.

 

Eines der strengsten Siegel für faire Schokolade und daher ein echter Favorit. Aber eben leider nicht überall zu kriegen.

Tipp: Weltläden oder GEPA-Webshop.


UTZ: Das Billig-Siegel

UTZ setzt vor allem auf Rückverfolgbarkeit, zu den Kriterien gehören sowohl Sozial- als auch Umwelt-Bedingungen, etwa maßvoller Umgang mit Düngemitteln und Pestiziden (Bio-Strenge erreicht das nicht), Unterkünfte und medizinische Versorgung für Plantagenarbeiter und auch die Vermeidung von Kinderarbeit durch Mindestalter gemäß ILO-Konventionen.

Die Teilnahme ist für Landwirte kostenlos, UTZ zahlt Ernteprämien, aber keinen Mindestpreis. Auch findet ein Mengenausgleich statt (siehe weiter unten). Um als Schokolade das Siegel zu erhalten, müssen seit 2014 90% des enthaltenen Kakaos UTZ-zertifiziert sein. Man sollte UTZ eher als Produktivitätssteigerungsprogramm betrachten, weniger als „Fair-Trade-Siegel“.

Echte „Fairtrade-Schokolade“ ist Naschwerk mit UTZ-Zeichen noch nicht. Aber UTZ ist eben auch besser als nichts und hilft den Bauern sehr wohl.