Baden mal anders…was ist eigentlich dieses „Waldbaden“?

Baden am See oder im Meer, ein sommerlicher Besuch im Freibad oder Planschen im heimischen Pool, all das kennen wir und sicherlich stand es bei vielen von Euch – den heißen Temperaturen der letzten Wochen geschuldet – auch des Öfteren auf dem Programm für einen gelungenen Ferientag. Seit einigen Jahren gibt es aber nun auch noch dieses „Waldbaden“. Und während die einen sich vielleicht fragen, ob man da mit dem Gummitier zum Waldteich zieht oder ein Handtuch mitnehmen muss, wissen die anderen schon mehr. „Das ist doch so ein neuer Trend aus Japan, oder?“, „Das soll doch irgendwie gesund sein“ hört man, wenn man über das Thema spricht.  

 

Und ja, tatsächlich, das Waldbaden hat seine Wurzeln in Japan. Dort heißt es „Shinrin Yoku“ und bedeutet so viel wie „Baden in der Waldluft“. Von einem neuen Trend kann allerdings nicht die Rede sein. Der Begriff „Shinrin Yoku“ tauchte zum ersten Mal bereits 1982 auf und wurde vom Leiter der japanischen Forstverwaltung, Tomohide Akiyama, geprägt. 


Was macht man denn beim Waldbaden genau?

Wer jetzt denkt Waldbaden wäre nur ein neues Modewort für einen Waldspaziergang, der irrt. Denn das wäre eigentlich schon wieder viel zu viel geplant, hat so ein Spaziergang doch zumeist irgendeine bestimmte Route oder ein bestimmtes Ziel. Und dabei wollen wir beim Waldbaden doch einfach einmal bewusst keines setzen. Hier geht es vielmehr um ein achtsames und absichtsloses Schlendern durch den Wald. Es soll einmal keinen Plan, keine To-Do-Liste geben, die es abzuarbeiten gilt. Was wir tun, tun wir langsam, wir halten inne und staunen und das darf gerne auch einmal länger dauern, denn Shinrin Yoku ist darauf ausgerichtet, Stress zu reduzieren und das allgemeine Wohlbefinden zu stärken. Einfach mal sein statt tun, nichts vornehmen, einfach mal Zeit verschwenden und sich treiben lassen, um das zu finden, was uns im Alltag oft fehlt: Ruhe, Muße, Entspannung und Erfüllung.

 

Am meisten Zeit hat man übrigens, wenn man diese komplett vergisst. Handy und Uhr dürfen also gerne einmal zuhause bleiben. Richte dich doch einmal nach dem Stand der Sonne und finde deinen eigenen Rhythmus.

 

Und dann probiere einmal den Weg der vor dir liegt, ganz bewusst wahrzunehmen. Spaziere einfach los. Wie fühlt sich der Boden unter deinen Füßen an? Gehst Du auf Gras, weichem Waldboden oder piekst etwas? Nadeln vielleicht? Welche Geräusche kannst du in deiner Umgebung wahrnehmen? Hörst du Vögel singen? Oder vielleicht knackende Äste oder den Wind in den Baumwipfeln? Welche Tiere und Pflanzen kannst du entdecken? Nutze alle deine Sinne: sehe, höre, rieche, taste und wenn es sich ergibt, schmecke auch. Wie fühlt sich z.B. die Baumrinde an? Gibt es in deinem Wald einen bestimmten Geruch? Und wie fühlt sich die Luft überhaupt an? Ist es warm oder kühl, hat es vielleicht geregnet und eine gewisse Feuchte ist spürbar? Achte beim Gehen auch darauf, wie sich dein Köper anfühlt. Gehst du schnell oder langsam? Gerade oder im Zickzack? Achte auf alle deine Empfindungen und genieße einfach den Moment im Hier und Jetzt.

 

Liebe Erwachsene, die ihr das lest. Ich weiß, das ist für viele von euch gar nicht so einfach. Aber nehmt euch doch einfach einmal eure Kinder zum Vorbild oder erinnert euch zurück an die Zeit, in der ihr unterwegs an jedem Stöckchen und Steinchen anhalten musstet, weil der Nachwuchs am Wegesrand etwas entdeckt hatte und dies voller Begeisterung – in der Achtsamkeitspraxis nennt man das übrigens „Anfängergeist“ – einmal ganz ausgiebig untersuchen musste. Kinder sind die geborenen Waldbader und absolute Meister darin, sich ganz in ihr Tun zu versenken. Tut es ihnen einfach nach! 

Warum ist Waldbaden so gesund?

Dass der Wald eine heilsame und entspannende Wirkung auf uns hat, ist nicht nur in Japan sondern auch bei uns mittlerweile schon lange wissenschaftlich erwiesen. So gibt es im Wald einige Faktoren, die in ihrem Zusammenspiel dazu führen, dass uns ein Waldbesuch gut tut. Schon die Waldatmosphäre an sich, mit ihren beruhigenden Naturgeräuschen und den facettenreichen Grüntönen – vom dunkelgrünen Grün der Bäume bis hin zum hellen Frühlingsgrün – sorgt für einen gewissen Wohlfühlfaktor. Grün, so sagt die Farbpsychologie, stimmt uns ruhig und harmonisch und gibt uns ein Gefühl der Ausgeglichenheit. Außerdem soll die Farbe auch entspannend für die Augen sein, weil die Betrachtung nicht anstrengt.

 

Hinzu kommt aber noch ein weiterer Faktor – die heilsamen Terpene in der reinen Waldluft. Terpene sind Pflanzenstoffe, die oft für den charakteristischen Duft einer Pflanze verantwortlich sind und die wir auch in ätherischen Ölen finden. Sie werden von Bäumen und Pflanzen vor allem dazu genutzt, um Insekten zur Bestäubung anzulocken, aber auch, um sich vor Schädlingen zu schützen. Beim Menschen wirken sie sich positiv auf das Immunsystem aus und beeinflussen unser Stressempfinden. Außerdem haben sie eine erfrischende, desinfizierende und für die Bronchien heilsame Wirkung. Wahrnehmen können wir sie riechend als typischen Nadelbaumgeruch – insbesondere auch nach Regen, denn dann ist der Duft ganz besonders intensiv und würzig. Also tief durchatmen! Wenn es warm ist, können wir sie aber auch sehen, denn dann setzen Bäume mehr Terpene frei. Es liegt dann ein leichter Nebel über dem Wald.

 

Einer der wichtigsten Forscher zum Thema Waldbaden ist übrigens Dr. Qing Li, Professor an der Nippon Medical School in Tokyo und Präsident der im Jahr 2007 gegründeten Gesellschaft für Waldmedizin. Er hat einen wesentlichen Anteil daran, dass das Waldbaden heute in Japan – wegen seiner positiven Wirkung auf Psyche, Stressempfinden und Immunsystem – ein fester Bestandteil der Gesundheitsfürsorge ist. Dort gibt es sogar ausgewiesene Waldbade-Wälder. Aber auch bei uns erfreut sich Shinrin Yoku zunehmender Beliebtheit. Also probiert es doch einfach einmal aus! 


Buchempfehlungen:

  • Bernjus, Annette mit Cavelius, Anna: Waldbaden. Mit der heilenden Kraft der Natur sich selbst neu entdecken. Gesund und glücklich mit Shinrin Yoku, mvgverlag
  • Miyazaki, Yoshifumi: Shinrin Yoku. Heilsames Waldbaden. Die japanische Therapie für innere Ruhe, erholsamen Schlaf und ein starkes Immunsystem“, Irisiana Verlag
  • Felber, Ulli: Waldbaden im Jahreskreis. Das Jahr im Rhythmus des Waldes, Schirner Verlag
  • Dr. Li, Qing: Die wertvolle Medizin des Waldes. Wie die Natur Körper und Geist stärkt, Rowohlt Polaris 

Kleine Anregungen für unterwegs:

  • Achtsamkeit mit der Natur. 50 Karma-Kärtchen, arsEdition
  • Bernjus, Annette, Waldbaden to go. Inspirierende Karten für Kraft, innere Ruhe und Gelassenheit, mvgverlag